Praxisalltag & Digitalisierung

Hausarztpraxen und Digitalisierung: „Einfach mal machen lassen“

Praxismanagerin Myriam Riemann aus Hessen im Interview

Kann Digitalisierung dabei helfen, Praxisabläufe zu erleichtern? Wir haben dazu mit Praxismanagerin Myriam Riemann aus Hessen gesprochen. Eine Erkenntnis: Manchmal braucht es gar keine aufwendigen Systeme, um den Berufsalltag in deutschen Hausarztpraxen zu entlasten.

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Guten Tag, Frau Riemann, erzählen Sie uns etwas über Ihren Werdegang und Ihre derzeitigen Aufgaben im Praxismanagement.

Myriam Riemann: Ursprünglich habe ich Internationale Betriebswirtschaft studiert und bin durch einen Zufall in den hausärztlichen Praxisalltag gerutscht. Als es in der Praxis meines Vaters personelle Engpässe gab, habe ich zunächst bei der Buchführung ausgeholfen. Tatsächlich hat mir die Praxisarbeit so viel Freude bereitet, dass ich die Weiterbildung im Praxismanagement wahrgenommen habe und nun schon seit zehn Jahren in der Praxis tätig bin. Meine Aufgaben umfassen Abrechnungen, Personal- und Urlaubsplanung sowie weiterhin die Buchführung. Seit fünf Jahren unterstütze ich ebenfalls in der Sprechstunde.

Welche Aufgaben sind in Ihrem Berufsalltag am zeitaufwendigsten? Wie könnten digitale Maßnahmen den Aufwand minimieren?

Myriam Riemann: Einen großen Teil nimmt das laufende Geschäft ein – beispielsweise das Vor- und Nachbereiten der Sprechstunde. Dazu zählen das Entgegennehmen von Telefonaten, die Terminvergabe oder das Pflegen der Wartezimmerliste. Aber auch die bereits erwähnten Abrechnungen gehören dazu. Grob gesagt füllen Abrechnungen – beispielsweise, ob VERAHs für Hausbesuche richtig abgerechnet sind – mehr als die Hälfte meines Arbeitsalltags.

Damit sich diese Aufwände in zeitlicher Hinsicht minimieren, wäre es schön, wenn die Informationssysteme, mit denen wir arbeiten, flüssiger und einfacher laufen würden. Unser System stammt noch aus den Neunzigerjahren. Damit muss ich immer ein paar Klicks mehr machen, um Abrechnungen einzusehen. Das kostet Zeit. Außerdem ist es manchmal schwer, neue Vorgaben in das alte System zu implementieren. Das würde mit webbasierten Programmen wesentlich einfacher gehen, aber ein Wechsel zu anderen Systemen wäre sehr zeitaufwendig und würde den Praxisalltag stören.

Sie haben einen „WhatsApp-Service“ ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?

Myriam Riemann: Den WhatsApp-Service gibt es leider nicht mehr, aus Datenschutzgründen. Bis zur Einführung der DSGVO wurde der Service von unseren jungen und älteren Patientinnen und Patienten aber sehr gut angenommen und war für uns Praxismitarbeitende eine deutliche Arbeitserleichterung. Das Telefonaufkommen war geringer – und es konnte gleichzeitig viel schneller und häufiger mit unseren Patientinnen und Patienten kommuniziert werden. Außerdem ließen sich einige Fragen rascher klären als am Telefon. Oftmals ging es um Rezeptanfragen oder die Abfrage von Urlaubszeiten.

Das Thema Digitalisierung rückt auch im Gesundheitsbereich immer mehr in den Fokus. Wo sehen Sie Herausforderungen, aber auch Vorteile für das Praxisteam sowie Patientinnen und Patienten?

Myriam Riemann: Das lässt sich so pauschal gar nicht sagen. Meiner Meinung nach ist Digitalisierung nur zum Teil oder nur in bestimmten Bereichen hilfreich. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zum Beispiel hat deutliche Vorteile, weil die Übermittlung an die Krankenkasse automatisiert abläuft. Zuvor musste dies händisch über den postalischen Weg geschehen. Allerdings war für viele Patientinnen und Patienten dies nicht von Anfang an klar – ihnen hatte die Information gefehlt. Deshalb bekamen wir zunächst vermehrt Anrufe, weil das dritte Zettelchen fehlte. Das hat sich nun aber eingespielt. Es ist im Zuge der Digitalisierung wichtig, aktiv über Abläufe und Neuerungen zu informieren, um Klarheit zu schaffen und Vorteile zu nutzen.

Denken Sie, dass das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen individuell betrachtet werden sollte?

Myriam Riemann: Ja. Ich nehme zum Beispiel regelmäßig an Schulungen unseres Informationssystemherstellers teil. Da geht es beispielsweise um die elektronische Patientenakte. Diese wird aber tendenziell eher in größeren Städten genutzt und auf dem Land weniger. Allein in unserer Praxis kenne ich nur drei bis vier Patientinnen und Patienten, die eine elektronische Patientenakte besitzen, genutzt wurde diese allerdings noch nicht. Im Vergleich war unser WhatsApp-Service erfolgreicher und vor allem effizienter.

Es muss also zum einen unterschieden werden zwischen Stadt und Land, Jung und Alt. Aber auch, um welche Fachrichtung es sich handelt. Oder ob wir uns im Krankenhaus befinden. Wir teilen uns zum Beispiel unsere Räumlichkeiten mit einem Kardiologen, dieser ist teils viel digitaler unterwegs. Das EKG wird digital übermittelt. Auf der anderen Seite hat eine Allgemeinmedizinerin oder ein Allgemeinmediziner auch einen ganz anderen Fokus. Nicht alles lässt sich so einfach durch digitale Maßnahmen ersetzen, etwa das Abtasten oder Abhören. Diese Untersuchungen müssen manuell durchgeführt und Befunde eingepflegt werden.

Was für Unterstützungsangebote hinsichtlich Digitalisierung im Gesundheitsbereich würden Sie sich aus Ihrer Sicht als MFA wünschen?

Myriam Riemann: Schwierig zu beantworten. Ich würde mich über schnellere Praxisabläufe freuen – oder wenn man die Praxen einfach mal machen lässt. Der WhatsApp-Service war etwa eine sehr große Erleichterung für uns – allerdings blockiert der Datenschutz dieses Vorgehen, obwohl die Patientinnen und Patienten in diesem Fall sogar proaktiv auf uns zugekommen sind und ihre Daten freiwillig übermittelten.

Wie kann die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) helfen, zeitliche Engpässe zu minimieren und digitalen Fortschritt in der Praxis zu fördern?

Myriam Riemann: Tatsächlich finde ich die HZV-Abrechnung sehr gut, da sie zeitlich am geringsten aufwendig ist – ich rechne daher am liebsten HZV-Patientinnen und Patienten ab. Allerdings würde ich es schön finden, wenn es etwas ähnlich der KBV2GO-App auch für die HZV geben würde – etwa um Abrechnungsänderungen mitzubekommen oder von nützlichen digitalen Anwendungen zu profitieren.


Haben Sie Ideen, wie der Praxisalltag entlastet werden kann? Teilen Sie Ihre Meinung und diskutieren Sie mit!

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